Freitag, April 26, 2024

Ursula König verlässt die Sekundarschule

Blomberg (an). Zum Interviewtermin an diesem Sommertag steht sie im Sekretariat, ein wenig Anspannung liegt in der Luft.

»Heute sind beide Schulsekretärinnen erkrankt und die Zeugnisse müssen gedruckt werden«, erklärt Ursula König, während sie den Besuch in ihr Büro führt. Doch so eine Unannehmlichkeit zu meistern, ist eine ihrer leichtesten Übungen, da hat sie schon ganz andere Situationen erlebt in ihrem bewegten Leben als Schulleiterin.

Als die 1957 geborene Lehrerin im Februar 2006 von Extertal an die Blomberger Hauptschule wechselte, da titelte die Lippische Landes-Zeitung: »Die Chancensucherin«. Sie hatte sich damals gewünscht, dass Schüler neben bloßem Schulwissen auch Toleranz lernen würden und bereit wären, ihr Bestes zu geben. Eine Haltung, die sie bis heute nicht aufgegeben hat, obwohl die Schulform längst gewechselt und sich vieles verändert hat.

Kaum hatte sie ihren Dienst angetreten, stand sie vor der Aufgabe, aus der Hauptschule eine Ganztagsschule zu machen. Acht Jahre bestand diese, dann musste und durfte sie noch mal ganz von vorne anfangen, die Sekundarschule mit aufbauen. Das gelang. Wer sich allerdings anschaut, dass die Sekundarschule nach wie vor rein räumlich ein Schattendasein führt und nach acht Jahren noch nicht mal ein vernünftiges Schulschild besitzt, könnte ins Grübeln kommen. »Das sage ich ja schon seit Jahren, dass wir ein richtiges Schulschild brauchen. Baulich ist hier sehr viel passiert. Ich hätte ja gern noch den letzten Klassentrakt nach dem Umbau eingeweiht, aber er ist noch nicht fertig.«

»Jeder ist willkommen«

Doch wichtiger sind ihr die Kinder. Gemeinsam mit engagierten Kollegen eine neue Schule aufzubauen, empfand sie als Geschenk. »Das war ein echtes Sahnestückchen, weil wir die Chance hatten, ihr unseren Stempel aufzudrücken.« Dass Eltern schon nach drei Wochen einen Förderverein gründeten, habe sie und das Team erst recht beflügelt. »Ich war von Anfang ein Fan integrierter Systeme und hier wurde der Inklusionsgedanke gelebt.« Ein inklusives System funktioniere aber nur bei vernünftiger personeller Ausstattung richtig gut. »Eigentlich sind wir erst seit dem vergangenen Jahr so weit, dass wir dem Personalschlüssel gerecht werden können.«

»Wir haben nebenan eine gut funktionierende Pestalozzi-Schule und trotzdem haben 60 bis 70 unserer 480 Mädchen und Jungen Förderbedarf«, erläutert die scheidende Rektorin. Natürlich wolle man allen gerecht werden. »Das bestimmt unser Handeln.« Jeden willkommen zu heißen, egal wie er kommt – das sei die Haltung, die allem zugrunde liege.

Es gibt Kinder, die wurden von Anfang gefördert und schaffen mal locker eine 1,3 auf dem Zeugnis. Aber da sei auch die Schülerin, die als verhuschte Fünftklässlerin gekommen sei und sich mit den Jahren mit ihren vorwiegenden praktischen Stärken und ihrem Organisationstalent so entfaltet hat, dass sie nun einen guten Hauptschulabschluss schafft. »Das ist unter Umständen die deutlich größere Leistung. Und darum geht es, die Stärken zu finden und zu fördern.«

Doch viele Probleme könnte Schule eben nicht lösen. »Da muss man einfach Pragmatismus mitbringen«, dann kann man noch eine Menge rausholen. Und das versuchten auch die 45 oder 46 Kollegen. »Wenn es nach mir ginge, dann hätten wir an der Schule noch mehr multiprofessionelle Kräfte, Erzieher, Sozialarbeiter, Psychologen, Ergotherapeuten, Logopäden« – für all die, deren Eltern sich nicht kümmern wollen oder können. Denn sie sei überzeugt: »Jeder Schüler hat Qualitäten.« Und so ist aus der »Chancensucherin« wohl eine Stärkenfinderin geworden.

2006 ist Ursula König von Extertal nach Blomberg gewechselt. Jetzt verlässt sie die Sekundarschule und geht in den Ruhestand. Foto: Marianne Schwarzer