Mittwoch, Oktober 9, 2024

Lippes erste Rolltreppe lief in Blomberg

Blomberg (miw). Entspannt durch die Läden bummeln, in Regalen stöbern und Kleidung anprobieren: In Zeiten des Lockdowns ist all dies nicht möglich.

Sicherlich freuen sich schon viele Menschen auf den Zeitpunkt, wenn solche Shoppingtouren wieder zur Normalität gehören. Ähnlich groß muss die Vorfreude bei den Blombergern gewesen sein, als im Jahr 1957 das erste Kaufhaus in der Stadt eröffnet wurde.

Neben dem ganz neuen Einkaufserlebnis gab es im Kaufhaus Deerberg später eine weitere Sensation: Die erste Rolltreppe in ganz Lippe wurde in Betrieb genommen. Das Kaufhaus Deerberg war eine Institution. Ein Rückblick.

Historische Zeitungsberichte, die unter anderem im Blomberger Stadtarchiv gelagert sind, geben einen Einblick in die Entwicklung des Kaufhauses Deerberg. Es wird deutlich, dass es am Anfang Zweifel gegeben hatte, ob sich ein Kaufhaus in Blomberg durchsetzen würde. Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens zeigt, dass diese unbegründet waren.

Hans und Ingrid Deerberg eröffneten ihr Geschäft im alten Stichweh’schen Hause am Langen Steinweg 23 (Foto rechts). Auf einer Fläche von 200 Quadratmetern fanden die Kunden ein großes Warensortiment vor. Nur zwei Jahre später wurde es um das Obergeschoss erweitert. So gab es mehr Platz für die Spielwarenabteilung. Wurden die Kunden zunächst persönlich bedient, verfolgten die Geschäftsleute ab dem Jahr 1962 das Prinzip der Selbstbedienung bei Haushaltsartikeln und Textilien. Dies machte eine Umgestaltung des Geschäftslokals erforderlich.

Fünf Jahre später sollte das Angebot weiter wachsen. Die gesamte Textilabteilung wurde in den Langen Steinweg 3 verlegt. Dadurch konnte im Stichweh-Haus das Sortiment erweitert werden. Das Motto »Alles unter einem Dach« wurde dann durch den Erwerb des Geschäftshauses Langer Steinweg 7 im Jahr 1968 möglich. Anfangs konnte es jedoch nicht komplett genutzt werden, da noch ein Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss untergebracht war.

»Die Eröffnung dieses Hauses war eine besondere Attraktion, weil hier die erste Rolltreppe in Lippe in Betrieb genommen war«, heißt es in einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1979. 1974 war der Lebensmittelladen ausgezogen. So konnte die Verkaufsfläche entscheidend erweitert werden. 1979 wurde das Geschäft dann grundlegend umgebaut. Dafür wurde es vorübergehend geschlossen. Durchgehende Decken wurden eingezogen, eine Klimaanlage installiert und das gesamte Haus mit Teppichboden ausgelegt. Die Rolltreppe musste weichen. Sie wurde durch einen Fahrstuhl ersetzt. Neue Sortimente, etwa Schallplatten und Kassetten, wurden in das Programm aufgenommen. Auch ein Lampenstudio wurde eingerichtet.

Mit einer kleinen Feierstunde wurde das Kaufhaus wiedereröffnet. Unternehmer Hans Deerberg und Bürgermeister Heinrich Fritzemeier gingen in ihren Reden auf die Entwicklung des Kaufhauses ein. Sie seien sich einig, dass sich seit der Öffnung des Kaufhauses die Einkaufsgewohnheiten der Kunden deutlich verändert hatten, schrieb die Zeitung damals. Das Kaufhaus Deerberg hätte sich jedoch stets den Erfordernissen der Zeitentwicklung angepasst, erklärten sie damals.

Zum Erfolg des Unternehmens wird sicherlich auch das harmonische Miteinander innerhalb der Belegschaft beigetragen haben. »Mit Stolz spricht Frau Deerberg von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einschließlich der jungen Auszubildenden als eine Familie, die auch in schweren Zeiten alle an einem Strang ziehen«, heißt es in einem Bericht des Blomberger Stadtboten, der im Jahr 1982 über das 25-jährige Bestehen des Kaufhauses berichtete.

Zu diesem Jubiläum hatte Ingrid Deerberg die Belegschaft zu einer »Fahrt ins Blaue« – nach Bodenwerder – eingeladen. »Viel Spaß gab es, als sie für jeden Mitarbeiter einen von ihr gereimten Vers vorlas«, wird in dem Zeitungsartikel berichtet. Mit dem Ausflug wollte die Familie Deerberg ihren Dank ausdrücken. Die Angestellten hätten ihre Beständigkeit im Berufsleben mit ihrer teils langjährigen Betriebszugehörigkeit bewiesen.

Im Jahr 1986 übernahm die Detmolder Familie Plietker das Geschäft der Familie Deerberg. Sie führte es noch acht Jahre. 1994 ging das Unternehmen in Konkurs. »Die Zeiten sind für ein Kaufhaus dieser Größe in einer kleinen Stadt wie Blomberg schwer, wenn nebenan in Detmold ein Einkaufsparadies die Kunden lockt«, schrieb damals die Lippische Landes-Zeitung.

Dieses Foto ist nach Angaben von Stadtarchivar Dieter Zoremba vermutlich 1979 entstanden, als das Kaufhaus umfangreich umgebaut worden war. Ganz links der ehemalige Stadtdirektor Dr. Siegfried Pilgrim, daneben Bürgermeister Heinrich Fritzemeier. Fotos: Michaela Weiße