Donnerstag, Dezember 12, 2024

Ein Blomberger eroberte die Schach-Welt

Blomberg. Am 15. Januar 1833 erblickte Ludwig Paulsen (später Louis genannt) im beschaulichen Blomberg das Licht der Welt.

Auf Gut Nassengrund betrieben die Eltern Sophie und Johann-Carl-Wilhelm eine Kartoffelzucht. Als begeisterter Schachspieler lernten die Paulsen-Kinder schon früh das »königliche Spiel« vom Vater – vor allem im Winter war bei Familie Paulsen Schachspielen angesagt. Was damals wohl noch niemand ahnte: Louis wird eines Tages ein weltbekannter Spieler.

Wie Louis waren auch seine Geschwister hervorragende Spieler. »Es heißt, seine Schwester Amalie habe gegen Offiziere gespielt und kurz davor gestanden, einen von ihnen Schachmatt zu setzen. Der Vater habe damals gesagt: ›Das kannst du doch nicht machen‹. Aber sicher zog sie es durch«, schmunzelt Horst Paulussen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Schachgeschichte von Louis Paulsen aufzuarbeiten.

Damals habe es eine Trennung zwischen Adligen und Bürgern gegeben. Daher habe der Vater im Wohnhaus ein eigenes kleines Schachzimmer eingerichtet und damit den ersten Stammtisch für Schachfreunde gegründet. »Deshalb kann Blomberg mit dem Gut Nassengrund auch als Keimzelle des Schachspiels in Lippe bezeichnet werden«, erklärt Paulussen. Den Stammtisch besuchte damals auch Adolph Anderssen, der zu dieser Zeit als stärkster Spieler galt, oft. »Er gewann damals im Zweikampf kein einziges Spiel gegen Louis«, weiß Paulussen. Dies sprach für das Talent des jungen Blombergers.

Die ersten 20 Jahre seines Lebens verbrachte Louis auf dem Hof der Eltern, wo er später als Buchhalter arbeitete. 1849 wanderte der älteste Bruder Ernst nach Iowa in Amerika aus und gründete dort eine Tabakzucht. 1853 folgte ihm Louis. »Natürlich betrieben die Brüder das Schachspiel weiter«, so Paulussen. Auf Empfehlung des amerikanischen Meisterspielers Allison nahm der damals 24-jährige Louis die Einladung eines Chicagoer Schachclubs an, bei dem er jede Partie gewann.

Bekannt gemacht habe ihn damals sein Erfolg beim ersten internationalen amerikanischen Schachturnier in Chicago. Dort trat Louis gegen den damals besten Spieler und seinen späteren Freund Paul Morphy an und belegte hinter ihm den zweiten Platz. Doch womit der Blomberger besonders hervorstach war sein Talent im Blindspiel. »Louis trat gegen fünf Spieler gleichzeitig an und besiegt sie alle – und das mit dem Rücken zum Spielfeld gewandt. Das war damals eine Weltsensation«, erläutert Horst Paulussen. Dafür habe er von Paul Morphy eine Goldmedaille erhalten, die heute in der Landesbibliothek in Detmold aufbewahrt wird.

1860 kehrten die Brüder in die lippische Heimat zurück. Sie flohen vor dem Bürgerkrieg. »Die Paulsens waren Pazifisten. Weder Ernst noch Louis wollten an der Front kämpfen. Da junge Männer sich damals für diesen Dienst melden mussten, entschieden sie sich dazu, nach Blomberg zurückzugehen«, weiß Paulussen. Zurück in Deutschland heimsten Louis und sein Bruder Wilfried Siege bei europäischen und deutschen Turnieren ein, die ihnen zahlreiche Meistertitel bescherten. Auf dem elterlichen Hof widmete sich Louis wieder der Buchhaltung.

»Schach war sein Leben«, weiß Paulussen. Seine stärkste Zeit war wohl von 1857 bis 1880. Bis zum Ende seines Lebens spielte er aktiv Schach. »Aber in den letzten Jahren eben nur noch mit Freunden und Bekannten auf Gut Nassengrund«, so Paulussen. Louis war ein Genie des strategischen Spiels. Er prägte bestimmte Spielweisen, die noch heute von Bedeutung sind und im Schach Anwendung finden. 1891 starb Louis. Ein Grabstein des Schachmeisters steht noch heute auf Gut Nassengrund.

Horst Paulussen befasst sich seit den 1960er-Jahren mit der Schachgeschichte in Lippe – und vor allem mit Louis Paulsen. Foto: brink-medien