Donnerstag, Dezember 12, 2024

Als im Bürgerheim noch die Fäuste flogen

Blomberg. Wer hat schon einmal von den Brüdern Roland und Dieter Grätz gehört? Oder von »Jumbo« Möller?

Alles klangvolle Namen Anfang der 60er-Jahre, die eine Ära in Blomberg geprägt haben. Das genannte Trio verhalf zusammen mit einigen Weggefährten dem Boxsport in der Nelkenstadt zu großer Popularität. Die ehrgeizigen Amateure sorgten damals mit herausragenden kämpferischen Leistungen für große Begeisterung ihrer Anhänger und für ein bis auf den letzten Platz gefülltes Bürgerheim.

Die heutige Gaststätte an der Ecke Garten-/Huxwiedestraße galt als das Epizentrum der fliegenden Fäuste und war einst auch als »Büngelheim« bekannt. »Die Leute standen dicht gedrängt in dem Saal. Eine Lampe erleuchtete den Boxring, ansonsten war es ziemlich dunkel. Und es wurde geraucht. Die Luft war zum Schneiden«, erinnert sich Hermann Hillienhoff.

Der Rentner und Sportliebhaber hat zahlreiche Wettkämpfe im Herzen Blombergs verfolgt. Dabei sind ihm bis heute die Auftritte der Grätz-Brüder bestens im Gedächtnis geblieben. »Roland und Dieter Grätz waren so etwas wie die Klitschkos für Blomberg. Die Zuschauer fieberten ihren Kämpfen entgegen. Und meistens endeten diese mit einem Knockout für den Gegner«, weiß Hillienhoff zu berichten.

Im November 1962 durften sich die Grätz-Brüder über eine besondere Auszeichnung freuen. Der damalige Vorsitzende des Blomberger Sportvereins, Hugo Klöpper, überreichte den beiden Vorzeige-Athleten jeweils eine Statue. Damit würdigte er den 75. Kampf und den Gewinn der Ostwestfalenmeisterschaft von Dieter Grätz sowie den 150. Kampf und den Gewinn der Westfalenmeisterschaft von Roland Grätz.

Maßgeblichen Anteil am Erfolg hatte Trainer Fritz Tober, der seine Schützlinge immer bestens auf die jeweiligen Kämpfe vorbereitet hatte. Sogar der ehemalige Bürgermeister Heinrich Fritzemeier gehörte zum Stamm-Publikum im Bürgerheim und fieberte mit den BSV-Boxern mit.

Ob bei den Junioren in den Klassen Leicht-, Welter- und Mittelgewicht, oder aber bei den Senioren in den Klassen Halbwelter-, Welter-, Mittel- und Halbschwergewicht – in den meisten Fällen gab es für die Gegner ordentlich Haue. Die Braunschweiger Löwen, der BC Ahlen oder der BC Lippstadt mussten mit zum Teil deutlichen Niederlagen und entsprechend körperlich gezeichnet die Heimreise antreten.

»Die Blomberger Boxer waren damals unschlagbar. In ganz Deutschland kannte man die herausragenden Qualitäten der Athleten«, sagt Dieter Drewes. Der 72-Jährige gehörte einmal zu den hoffnungsvollen Talenten. Im Alter von zwölf Jahren bestritt er seine ersten Kämpfe. Spricht man den ehemaligen Schlachter heute auf die Vergangenheit an, gerät er ins Schwärmen.

»Das war schon eine tolle und unnachahmliche Zeit. Ich war damals ja noch Schüler, aber die Grätz-Brüder waren so etwas wie Popstars. Egal, wo die hinkamen, jeder kannte sie«, erzählt Drewes. Die Sportler aus der Nelkenstadt waren so stark, dass sie stellvertretend für Deutschland einen Vergleichskampf gegen die einstige DDR führen sollten.

Doch es ist nicht zu einem einzigen Kampf gekommen. Stattdessen endete das Duell, bevor es begonnen hatte, mit einem Eklat. »Von offizieller Seite kam die Anordnung, dass die Hymne der DDR nicht gespielt werden soll. Daraufhin wollten die Gegner nicht mehr in den Ring steigen«, erinnert sich der Rentner. Mitte bis Ende der 60er-Jahre ließ die Box-Euphorie in der Nelkenstadt dann allerdings immer weiter nach.

»Einige Athleten zog es beruflich weg, andere hatten gesundheitliche Probleme. Außerdem wurden Sportarten wie Fußball oder Handball immer populärer. Das Interesse am Boxen in Blomberg nahm zusehends ab.« In den 90er-Jahren war es dann aber ausgerechnet Dieter Drewes, der für ein viel beachtetes Box-Spektakel sorgte. Auf dem Saal des Hotels »Deutsches Haus« stieg er für einen guten Zweck gegen Werner »Pils« Möller noch einmal in den Ring.

»Das war ein Ereignis. Der Laden war proppenvoll und die Stimmung auf dem Siedepunkt. Da haben wir eine richtige Show abgezogen. Sogar eine Schlangentänzerin ist in den Pausen aufgetreten. Werner und ich waren so nervös, dass wir uns schon vor dem Kampf ein paar Schnaps gegönnt haben. Entsprechend gut gelaunt und mit einer gewissen Leichtigkeit ging es dann in den Ring. Am Ende sind 4.000 Mark zusammengekommen, die wir für ein behindertes Kind gespendet haben«, zaubert es Drewes bei dem Gedanken an diese Veranstaltung ein Lächeln aufs Gesicht.

Dieter Drewes und Werner »Pils« Möller stiegen in den 90er-Jahren für einen guten Zweck noch einmal in den Ring. Foto: Dieter Drewes